War es eine gute Idee, im Frühjahr 2020 nach Italien in Urlaub zu fahren? Im Nachhinein betrachtet: Nope. Aber wer konnte denn vorher schon ahnen, dass vier Wochen später kriegsähnliche Zustände herrschen würden?
Die Grenzen: dicht. Die Menschen: panisch. Und die Stimmung:

Als ob dieser Knabe aus Bologna bereits geahnt hätte, welche Katastrophe wenig später über sein Land hereinbrechen würde. Das Bild entstand am 25. Februar. Da verzeichnete Italien schon 220 bis 229 Corona-Infizierte und 6 oder 7 Tote – je nach Quelle. In Bologna gab es noch keinen einzigen Fall.
Es war die Ruhe vor dem Sturm.
Es ist unmöglich, den Urlaub Revue passieren zu lassen, ohne das Gefühl zu haben, gerade noch einmal heil davongekommen zu sein. Vor allem, wenn dieses Gefühl vor Ort so gar nicht vorhanden war. Das wird diese Reise für immer zu etwas Besonderem machen.

Arkaden prägen das Stadtbild von Bologna. Insgesamt sollen die Säulengänge eine Länge von 38 Kilometern haben. Das ist ganz praktisch bei Regen, weil man auch ohne Schirm relativ trocken durch die ganze Stadt kommt. Aber es bietet auch Schmierfinken reichlich Gelegenheit, sich im Vorbeigehen mal schnell mit einer Zeichnung oder einem Spruch zu verewigen.
Bist du bereit für das Ende der Welt?
Warum ich ausgerechnet diese Schmiererei fotografiert habe, kann ich nicht genau sagen: War es Galgenhumor ob der angespannten Stimmung in der Stadt oder die Genugtuung, einen italienischen Satz verstanden zu haben, ohne das Wörterbuch bemühen zu müssen? Wahrscheinlich beides.

Im Eingangsbereich zur Bibliothek der Universität herrscht gähnende Leere. Sämtliche Vorlesungen wurden bereits abgesagt. Die berühmteste Kinderbuchmesse der Welt ebenfalls. Sicherheitshalber. Bin ich als Tourist also fehl am Platze? Schwer zu sagen. Ich reise gern in der Nebensaison und mag keine überfüllten Plätze oder Sightseeing nach Schablone. Ich hatte mir die Stadt auch nicht viel voller vorgestellt, aber ich habe keinen Vergleich… was wäre denn normal gewesen?

Im Gegensatz zu vielen anderen hatten mich nicht die beiden Türme Garisenda und Asinelli nach Bologna gelockt. Beeindruckend waren sie trotzdem, die windschiefen Überbleibsel der mittelalterlichen Machtdemonstration einiger wohlhabender Bologneser Familien. Im 12. und 13. Jahrhundert soll es in Bologna bis zu 180 solcher Türme gegeben haben.

Einer von ihnen – Garisenda (oben links) – wird sogar in Dantes „Göttlicher Komödie“ erwähnt. Dieses Epos haben wir vor Jahren einmal für ein Studienprojekt an der HdM bearbeitet und als multimediale Reise durch die drei Jenseitsreiche auf den Spuren von Dante und Vergil inszeniert.
An den Turm Garisenda konnte ich mich natürlich nicht mehr erinnern, wohl aber an Dantes lebhafte Beschreibung der neun Höllenkreise – und in genau diesem Abschnitt des Werks wird der Turm erwähnt. Unter den aktuellen Umständen verwundert es mich nicht gerade, dass ich scheinbar schon wieder und ziemlich unfreiwillig in dieses Buch geraten bin.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings, auch bei Dante. Der Dichter musste zwar in seinem Werk die neun Kreise der Hölle durchschreiten und den Läuterungsberg mühsam erklimmen, doch als Belohnung trifft er im Paradiso auch seine Jugendliebe Beatrice wieder.
Und somit schließt sich der Kreis. Denn es war ja eigentlich nichts weiter als ein Lied gewesen, das mich in diese Stadt gelockt hatte:
Wenn jemand fragt, wohin du gehst
„Bologna“ / Wanda
Sag, nach Bologna
Wenn jemand fragt, wohin du gehst
Sag, für Amore, Amore