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Kolumbusplatz

Die U-Bahn ist kein Ort, den ich oft und gern frequentiere. Trotzdem ist mir nicht entgangen, dass sich an meiner Station vor ein paar Tagen ein Aktivist mit einer Sprühdose ausgetobt hat. Denn damit kann man ja so richtig schön ein Zeichen setzen – und den Kolumbus quasi vom Platz fegen.

Brauchen wir einen neuen Namen?

Der U-Bahnhof Kolumbusplatz wurde 1980 eröffnet. Ich wohne seit etwa 10 Jahren hier und habe bislang nicht beobachtet, dass dieser Name irgendjemandem sauer aufgestoßen wäre…

Allerdings: Was sind schon ein paar Schmierereien im Gegensatz zu den Denkmälern, die zur Zeit überall in den USA gestürzt werden? Eines steht fest: #blacklivesmatter ist unverkennbar auch in meinem Viertel angekommen.

Stellt sich die Frage: Was ist falsch an unserem Bild von Kolumbus, dem großer Entdecker, der im Auftrag der spanischen Krone aufs Meer hinaus segelte, um den Westweg nach Indien zu finden, letztendlich aber einen völlig neuen Kontinent erreichte, mit dem er nicht im Traum gerechnet hatte?

Unser Problem ist: Das allgemeine Bild ist unvollständig und die Sichtweise einseitig. Kolumbus als „Entdecker der Neuen Welt“ zu bezeichnen, auf diese Idee können nur Europäer kommen. Die dort lebenden indigenen Völker haben seine Ankunft an ihren Gestaden mit Sicherheit anderes wahrgenommen.

Der Erstkontakt mit der einheimischen Bevölkerung verlief nach den Angaben von Kolumbus friedlich. Doch ein respektvoller Kontakt auf Augenhöhe war es nicht. Was mit Landnahme und dubiosen Tauschgeschäften begann, gipfelte schließlich in einem internationalen Sklavenhandel. Somit ist nachvollziehbar, dass man Kolumbus auch als Rassisten bezeichnen kann.

Kein Platz für Rassisten

Das ist die Botschaft. Prinzipiell würde ich da zustimmen. Aber sollte man den Platz deshalb umbenennen?

Umbenennen hieße: Wir nehmen den Protest der Aktivisten ernst und reagieren darauf. Wir lassen nicht mehr zu, dass öffentlicher Raum zum Andenken an eine Person benutzt wird, die vor vielen hundert Jahren einmal rassistisch gehandelt hat.

Es hieße aber auch: Ein Name verschwindet. Und damit auch eine Warnung. Ein Reminder. Eine Möglichkeit, sich selbst immer wieder vor Augen zu führen, was falsch und was richtig ist.

Der Platz soll seinen Namen ruhig behalten. Lieber soll sich alle paar Jahre jemand darüber aufregen und seiner Wut mit eine Sprühdose Erleichterung verschaffen, als dass dieses so wichtige Thema langsam aber sicher in Vergessenheit gerät.

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