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STORYTELLING WAS AUF DIE OHREN

Faking Hitler

Es ist kein Geheimnis. Ich liebe Podcasts. Deshalb möchte ich hiermit einige Produktionen vorstellen, die ich besonders hörenswert fand. Den Anfang macht ein Podcast aus dem letzten Jahr:


1. Faking Hitler

Stern (2019)

Die angeblichen Hitler-Tagebücher sind ein unrühmliches Kapitel der deutschen Pressegeschichte. Von vorn bis hinten gefälscht und trotzdem für teures Geld vom Stern eingekauft, bescherte die Story dem Magazin im Jahr 1983 Rekordauflagen. Doch kurz nach der Veröffentlichung musste man sich der harten Realität stellen: Alles fake. Die 36 handgeschriebenen Kladden, die der Reporter Gerd Heidemann in der Redaktion abgeliefert hatte, stammten nicht aus der Feder von Adolf Hitler, sondern waren das Werk des Fälschers Konrad Kujau!

Diese absurde Geschichte rollt der Stern-Podcast Faking Hitler 35 Jahre nach dem Skandal mit einer 10-teiligen Serie und diversen Specials noch einmal minutiös auf. Ist es eine Art Vergangenheitsbewältigung oder der Versuch, den Fake im Zeitalter von fake news erneut zu vermarkten? Vermutlich beides. Lieber serviert man die eigene Version der Geschichte, bevor es sie von einem anderen geschrieben wird. Schließlich hat man wie vor den direktesten Zugriff auf die Tagebücher.

Doch das ist für den Podcast gar nicht so entscheidend. Wahres Podcast-Gold sind hingegen die Originalmitschnitte der Telefonate zwischen Gerd Heidemann und Konrad Kujau – trotz ihrer teilweise unterirdischen Tonqualität.

„Conny!“ – „Hmmm?“ – „Was ist los?“ – „Aaaach….“

Anders als Helmut Dietl, der 1992 in Schtonk! die markantesten Momenten des Skandals verdichtet und daraus eine Komödie zum Niederknien gestrickt hatte, kostet der Podcast das gesamte Ausmaß der Peinlichkeiten aus, indem er Experten und Zeitzeugen zu Wort kommen lässt. Dieser dokumentarische Ansatz könnte auf den ersten Blick langweiliger erscheinen. Ist er aber nicht. Denn wir nähern uns den Protagonisten auf einer sehr persönlichen Ebene. Es ist zwar nicht so, dass einen zwischen den Banalitäten des Alltags der „Eishauch der Geschichte anwehen würde“ (wie es in Schtonk! so schön formuliert wird), aber Kurzweil ist dennoch garantiert.

Es zeigt sich (wieder einmal): Die Realität ist absurder als man es sich in seinen kühnsten Träumen ausmalen könnte. Auch wenn der zeitliche Abstand zum Geschehen die Schmach nicht unbedingt mildert und es keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse gibt, die den Skandal heute in einem neuen Licht erscheinen lassen – der Skandal um die Hitler-Tagebücher ist und bleibt eine gute Geschichte.

Es ist keine Überraschung, dass jemand wie ich, der eine eindeutige Schwäche fürs Narrative hat, genau zu diesem Schluss kommt. Ihr seht mich grinsen. Doch in der Geschichte ist noch soviel mehr zu entdecken. Also: Gerne reinhören und eigene Meinung bilden!

Faking Hitler findet ihr auf Apple Podcast, Spotify und überall dort, wo es Podcasts gibt.


Und noch eine Bemerkung am Rande:

Bin ich die Einzige, die die Intromelodie des Podcasts an folgenden legendären Track aus Mary Poppins erinnert? Die Ironie des Schicksals: Irgendwas bleibt immer kleben… Fragt sich nur, wer Glück hatte.

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